Diverse Komponisten
AQUILONIS
Trio Mediaeval
ECM/Universal CD________________________(6Г)
Vielleicht trägt das Bild einer musi-
kalischen Reise vom Norden in den
Süden, das John Porter in seinem
ausgesprochen knappen Booklet-
Text aufgreift, bei dieser Werkzu-
sammenstellung ganz gut, denn im-
merhin reicht das hier eingespielte
Repertoire von Island bis nach Ita-
lien. Fast wichtiger noch scheint al-
lerdings die Zeitreise zu sein, die
der Hörer erfahren kann. Als Fix-
punkte fungieren einzelne Sätze
aus dem Offizium von St. Thorlak
aus dem Jahre 1193, die von isländi-
schen Gesängen, verschiedenen Ca-
rols aus dem 15. Jahrhundert, aber
auch von eigens für das Trio Me-
diaeval geschriebenen Kompositi-
onen bzw. eigenen Improvisationen
umrankt werden.
Auch wenn die modernen Stücke
stark in der Gregorianik oder zumin-
dest in alten Tunes verwurzelt sind,
fügen sie doch harmonisch gewag-
te Klangfarben hinzu. Das Trio Me-
diaeval wäre nicht es selbst, wür-
de es dabei nicht auch die harmo-
nischen Reibungen bis nahe an
die Schmerzgrenze ausreizen. Und
selbst manche der eher schlichten
Gesänge erfahren nicht zuletzt auf-
grund dieser Konfrontationen eine
recht starke Intensivierung.
Da braucht es in der Tat nur sel-
ten der Unterstützung von Instru-
menten. Werden sie dann aber mal
eingesetzt, wie etwa als ein länge-
rer Orgelpunkt in Track 6, dann birgt
dies eine überwältigende Span-
nung. Und emotionale Intensität
gehört nach wie vor zum Marken-
zeichen des Trios, das die Lücke, die
2013 durch den Ausstieg von Torunn
0
strem Ossum entstand, mit Berit
Opheim füllen konnte, die ganz of-
fenkundig die Gesamtkonzeption
des Trios mitträgt. Mit lupenreiner
Intonation erschließen die drei Da-
men eine weitgehend unbekannte
Welt mit viel Phantasie, Geschmack
und Intensität, die nicht nur zur Me-
ditation einlädt.
R e in m a r Em ans
KLASSIK
Franz Schubert
WINTERREISE
(2 VERSIONEN)
Daniel Behle, Oliver Schnyder Trio
Sony 2 CDs
(126’)
Zu Beginn von „Gute Nacht“ hört man 13 Sekunden lang pia-
nofahle Klänge. Ein CD-Pressfehler, wie man zunächst mut-
maßen könnte? Nein, vielmehr erster Hinweis auf Daniel
Behles Neufassung von Schuberts Liederzyklus, rund zwei
Jahrzehnte nach der Version von Hans Zender. Ihre Beglei-
tung findet Behle freilich als etwas zu dominant. Er selber,
ausgebildeter Komponist, fügt dem Klavier nur eine Violin-
und eine Cellostimme hinzu. Diese schlanke Klanggebung
lässt den originalen Klavierpart nahezu unberührt, verstärkt
aber Farben und Stimmungen, besonders deutlich zunächst
bei „Erstarrung“ und dem jetzt leicht orchestral wirkenden
„Lindenbaum“. Mal gibt es Unisono-Verstärkung, mal Pizzi-
cati oder (besonders häufig) Flageoletts, Tremoli oder leicht
schmerzvoll wirkende Glissandi.
Sind Daniel Behles Hinzufügungen zwingend? Einem Fi-
scher-Dieskau „genügten“ für seine vielen Interpretatio-
nen lediglich unterschiedliche Klavierbegleiter. Behle ar-
gumentiert mit sängerischer Intelligenz. Für ihn sind „Mül-
lerin“ und „Winterreise“ komplementäre Werke, mit einem
Gang „nach innen“. Dies sucht er mit einer ergänzenden,
das Original freilich respektierenden Klangsprache zu ver-
deutlichen. Sie mag zunächst etwas irritieren, erweckt aber
das Ohr zunehmend zu neuer Aufmerksamkeit.
Als Sänger verfremdet Daniel Behle die Musik an keiner
Stelle, bewegt sich mit seiner cremigen, sensualistischen
und rhetorisch prägnanten Stimme in Schuberts Musik wie
auf Samtpfoten, selbst dort, wo er dramatische Ausbrüche
wagt. Sein Begleiter ist einmal mehr Oliver Schnyder, dies-
mal als namensgebender Tastenprimarius seines klangfarb-
lich reich schattierenden Klaviertrios.
C h ris to p h Z im m e rm a n n
Mm»'-'
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Johann Sebastian Bach
6 SUITEN
FÜR VIOLONCELLO SOLO
Isang Enders
Rerlin/Edel 2 CDs
(142’)
uch als 3-LP-Set erhältlich
Wunderbar sprechendes, farbintensives Bach-Spiel; Isang End-
ers zeichnet die komplexe Struktur der Suiten penibel nach und
bleibt dabei undogmatisch. Mag sein, dass ihm insgesamt die
„helle“ Seite der Suiten, jene in Dur, besser liegt, diese spielt
er mit herrlicher Leichtigkeit und betörendem Sinn fürs Tänze-
rische. Im Kontrast dazu tendieren bei ihm jene „dunklen“ Sui-
ten in Moll zum bewusst Schweren. Das ändert jedoch nichts
an der Tatsache, dass dies die wohl nobelste, eleganteste, viel-
leicht auch sorgfältigste Einspielung der Bach-Suiten der ver-
gangenen Jahre ist. Die innere Ruhe, die Enders bei jener sich
am Rande des Verstummens bewegenden Sarabande der fünf-
ten Suite hörbar macht, die Noblesse, mit der bei ihm die Gi-
guen springen: Das macht ihm so schnell keiner nach.
H au
MUSIK
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KLANG ★
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MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
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KLASSIK
FOO FORUM
JAZZ
HIFI
KLASSIK
Grigory Sokolov
Der vielleicht
bedeutendste Pianist unserer
Zeit veröffentlicht sein Debütalbum bei der
Deutschen Grammophon. Wir haben den
scheuen Künstler exklusiv in Paris getroffen
und widmen ihm ein großes Porträt.
Neujahrskonzert
Was 1939
noch Propaganda-Zwecke
bediente, wurde bald zu
dem
Klassik-Ereignis
des Jahres in den Medien: das Neujahrskon-
zert der Wiener Philharmoniker. Wir haben
mal in ihrem Archiv gestöbert.
Mirella Freni
Mit ihrer
Darstellung der Mimi in
„La bohème“ gelangte Mirella Freni zu Welt-
ruhm. Zu ihrem 80. Geburtstag hat FONO
FORUM mit ihr gesprochen und
empfiehlt ihre schönsten Aufnahmen.
Philippe Jaroussky
Der Countertenor
präsentiert sich mit
neuen Aufnahmen von Vivaldi und Steffani.
Wir haben ihn dazu befragt.
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